1928 – 1978: 50 Jahre VIDAL + SOHN

Hier lesen Sie eine Geschichte sie ist kein Roman, es passiert auch nichts in ihr, was die Nerven kitzelt, nein, schlicht und einfach wird von einem Familien-Unternehmen berichtet, welches seit über 50 Jahren existiert und zu den größten und ältesten der KFZ-Branche in Hamburg bzw in Norddeutschland zählt.

VIDAL + SOHN

Der Name Vidal ist in Hamburg ein Begriff, denn im Auf und Ab des Hamburger Wirtschaftslebens haben die Vidals stets ihren Platz gehabt und behauptet. Die Vorfahren waren aus dem Languedoc (Südfrankreich) als Hugenotten nach Hamburg ausgewandert. Seit dem Jahre 1700 lässt sich nachweisen, daß die Familienangehörigen ununterbrochen als selbständige Kaufleute in Hamburg tätig waren. Im neunzehnten Jahrhundert wurde eine bedeutende Handelsfirma mit eigener Reederei betrieben, die sich auf das Geschäft mit Ostasien spezialisierte und eine eigene Niederlassung in Batavia (Jakarta) hatte.
Ab 1883 wurde eine Kohlenhandelsfirma betrieben, die sich später auch auf Kohlenimport und den Betrieb einer Löschanlage für englische Kohlen ausdehnte. Im Jahre 1927 wurde die Löschanlage verkauft, weil der Import englischer Kohlen infolge Devisenschwierigkeiten stark eingeschränkt werden musste. Max Vidal und Sohn Oscar hatten keine Meinung, die durch den Verkauf der Anlage freigewordenen Gelder im Kohlengeschäft zu investieren, und man beschloss, sich in einer interessanten anderen Branche neu zu engagieren.

Drei Räder machen Karriere

Bis in die Mitte der zwanziger Jahre wurde der Transport kleinerer Gütermengen mit Pferdewagen oder mit der sogenannten schottischen Karre betrieben. Handel und Gewerbe suchten damals einen Ausweg, um ihre Transport-Probleme zu lösen. Um das Jahr 1924 begann man plötzlich im nordwestdeutschen Raum Hamburg und Bremen einen neuen Industriezweig zu entwickeln: Dreiradwagen. Die steuerliche Neuregelung, nach der Fahrzeuge mit weniger als 4 Rädern und einem Hubraum unter 200 ccm führerschein- und steuerfrei bleiben sollten, begünstigte die jetzt begonnene Entwicklung ungemein.
Der erste, der ein brauchbares, motorisiertes Dreiradfahrzeug herausbrachte, war Carl F. W. Borgward in Bremen. Aus seiner damals zusammengebastelten Blitzkarre entwickelte sich später der Goliath Dreiradwagen.Borgward fand für seine Idee viele Nachahmer, die ebenso wie er, unter Verwendung vorhandener Motorrad-Aggregate, dreirädrige Fahrzeuge zusammenbastelten. Einer dieser Nachahmer war die sogenannte

„Tempo-Werk G.m.b.H.“

Immerhin konnte diese Firma 2 Fahrzeugtypen vorstellen, die nicht uninteressant waren:

1. T y p T1

Mit wassergekühltem Rinne-Zweitaktmotor Dreigang-Schaltgetriebe (Sturmey-Archer) und Kettenantrieb zum Hinterrad, 500 kg Nutzlast.

2. T y p T2

Mit luftgekühltem Hamor-Motor, 2-Takter, 350 ccm, für 750 kg Nutzlast.

Rückwärtsgang war nicht vorhanden. Brauchte man auch nicht. Damals konnten die „Chauffeure“ noch „chauffieren“. Und den TÜV gab’s auch noch nicht.

Im Jahre 1928 kamen nun die Vidals mit den Inhabern dieser „Tempo-Werk G.m.b.H.“ in Verbindung. Der eine Gesellschafter, Gustav Ehlert, hatte die Konstruktion und die Montage der Fahrzeuge in seiner Schmiede-Werkstatt in Hamburg-Eidelstedt eingeleitet, der andere Partner, ein gewisser Herr Sühr, war im Außendienst tätig und versuchte nun, diese Fahrzeuge zu verkaufen bzw. „an den Mann zu bringen“. Die finanziellen Mittel von Ehlert und Sühr waren gering und nicht ausreichend, um eine Weiterentwicklung der „Tempo-Werk G.m.b.H.“ durchzuführen. Praktisch waren sie „pleite“.

Max Vidal und sein Sohn Oscar entschlossen sich nun, die Firma Vidal + Sohn zu gründen und den Alleinvertrieb der Fahrzeuge zu übernehmen. Die Herstellung sollte weiterhin durch Ehlert erfolgen, dem man im voraus 20.000 Reichsmark bezahlte, damit die ersten 20 Fahrzeuge gebaut und geliefert werden konnten. Der Partner Sühr wurde als Verkaufsleiter eingestellt und auf Reisen geschickt, um eine Händlerorganisation aufzubauen.

Schon nach kurzer Zeit stellten die Vidals fest, daß die Zusammenarbeit mit Ehlert und Sühr nicht funktionierte, denn Ehlert hatte erst drei der 20 Fahrzeuge gebaut und verlangte weiteres Geld, da er sonst die Produktion einstellen müsste. Hierzu waren die Vidals nicht bereit. Inzwischen hatte der Verkaufsleiter Sühr eine ganze Anzahl von brauchbaren Händlern gefunden, und die Aufträge flossen laufend herein.
Unter den neuen Händlern befand sich auch die Firma Grotz in Stade. Sie verfügte über eine gut ausgerüstete Auto-Reparaturwerkstatt. Herr Grotz erklärte, daß er durchaus in der Lage wäre, die Dreiradfahrzeuge nach den Ehlertschen Plänen zu bauen. Die Vidals zögerten nicht lange und erteilten ihm einen Auftrag über 200 Fahrzeuge, die dann in der Folgezeit auch geliefert wurden. Doch die Vidals sollten von weiteren Enttäuschungen nicht verschont bleiben, denn bald stellte sich heraus, daß die Ehlertsche Konstruktion viele Mängel aufwies und nicht viel taugte. Die für den Antrieb eingebauten Motorrad-Aggregate erwiesen sich als zu schwach. Die neu gewonnenen Kunden waren daher zumeist enttäuscht und unzufrieden. Obendrein erwies sich die „Verkaufskanone“ Sühr als völlig ungeeignet. Zwar brachte er Aufträge in Massen, aber er machte auch enorme Reisekosten bedingt durch sein großspuriges Auftreten.
Bei den Vidals saß er damit auf dem falschen Dampfer. Repräsentieren ja – angeben nein. Jedenfalls nicht mit ihrem Geld. Man beschloss, sich sobald als möglich von diesem Mann zu trennen. Im Frühjahr 1929 begann für die Firma Vidal + Sohn eine entscheidende, positive Wende. Ingenieur Otto Daus, bis dahin technischer Leiter bei der Konkurrenzfirma Rollfix-Eilwagen-G.m.b.H. in Hamburg-Wandsbek, trat mit den Vidals in Verbindung.

Er erklärte:

Mit größter Aufmerksamkeit habe er die Bemühungen der Firma Vidal + Sohn beobachtet, in das Dreiradgeschäft hineinzukommen. So, wie bis jetzt, ginge es jedenfalls nicht. Das müsse man ganz anders anfangen. Er erbot sich, eine eigene Konstruktion zu entwickeln und eine Fabrikation aufzuziehen.

Otto Daus war ein typischer Bastler und Erfinder. Er fuhr einen Personenwagen, den er selbst konstruiert und für den er fast sämtliche Teile selbst angefertigt hatte. Vorher hatte er sich schon als Flugzeugkonstrukteur betätigt und auf eigenen Flugzeugen das Fliegen gelernt.

Daus wurde nun zum 1. Mai 1929 engagiert. Mit ihm zusammen wurde ein Fabrikgebäude in Hamburg-Wandsbek in der Sophienstraße ausgewählt und erworben. Außer seinen großen Kenntnissen im Leichtfahrzeugbau brachte er noch eine Reihe von erfahrenen Mitarbeitern mit, die den Grundstock der neuen Wandsbeker Fertigungsstelle bildeten.

Zunächst wurde nun daran gegangen, die zu schwachen Aggregate in den verkauften Fahrzeugen der Modelle T 1 und T 2 auszuwechseln und die Käufer dieser Fahrzeuge so gut wie möglich zufriedenzustellen. Gleichzeitig wurde in sehr kurzer Zeit die Konstruktion des neuen Modells beendet und die Fertigung in Gang gesetzt Schon im Dezember 1929 waren die ersten Fahrzeuge der Daus- Entwicklung fertiggestellt und fahrbereit. Sie wurden als Modell T 6 herausgebracht. Der Wagen T 6 war ein Dreirad, bei dem der Fahrer auf der Motorhaube hinter der Ladefläche saß. Als Antriebsquelle diente ein wassergekühlter 200 ccm Ilo-Zweitaktmotor, der über ein Schaltgetriebe das Hinterrad antrieb.

Zu dieser Zeit wurden an den verschiedensten Stellen im nordwestdeutschen Raum ähnliche Fahrzeuge gebaut. Der Typ T 6 erwies sich jedoch gegenüber allen Konkurrenten als weit überlegen. Insbesondere deswegen, weil der Motor wassergekühlt und dadurch weitaus leistungsfähiger war als die luftgekühlten der Konkurrenz. Außerdem war der T 6 der einzige Dreiradwagen, der mit einer Hinterradfederung ausgerüstet war.

Kurz und gut, der T 6 war ein gelungener Wurf. Das Interesse bei der Kundschaft war groß, und bereits zum Jahresende 1930 waren 1100 Fahrzeuge hergestellt und verkauft worden. Ein Slogan aus der damaligen Zeit lautete dann auch:

„Tempo, Tempo schreit die Welt, Tempo, Tempo, Zeit ist Geld, Hast Du keinen Tempo-Wagen, wird die Konkurrenz Dich schlagen.“

Trotz der misslichen Wirtschaftslage war eine ständige Produktionssteigerung festzustellen; denn 1931 verließen bereits 1506 Fahrzeuge die Werkhallen in Wandsbek. Außerdem wurde ein neues Modell vorgestellt.

T e m p o T 10

Rein äußerlich hatte sich der T 10 gegenüber dem T 6 kaum verändert. Die herausragenden Merkmale dieser Neukonstruktion jedoch waren:

1. verstärkter Motor – 400 ccm / 10 PS

2. verstärktes Fahrgestell – 750 kg Nutzlast.

Die Produktionszahlen waren auch 1932 weiterhin gestiegen. 1627 Fahrzeuge waren hergestellt und verkauft worden.

2800 km in 8 Tagen

1932 war dann auch das Jahr, in dem der rumänische Generalvertreter der Firma Vidal + Sohn, Salvador Tartoff, in 8 Tagen von Hamburg nach Bukarest fuhr. Ein serienmäßiger T 10, beladen mit der zulässigen Nutzlast von 750 kg! 2800 km in 8 Tagen! Besser konnte man die Zuverlässigkeit und Robustheit des T 10 wohl nicht beweisen.

T e m p o – P o n y

1932 wurde ein „neues Pferd“ im Tempo-Werk gesattelt. „Tempo-Pony“. Ein einfaches, kleines, billiges Fahrzeug. Ohne viel Komfort, ausgerüstet mit einer einfachen Kastenschwenklenkung, war er den Kleinstbetrieben und vielen Handwerksmeistern, die sich bisher mit dem Transportfahrrad begnügt hatten, ein treuer und billiger Helfer. Der Pritschenwagen wurde damals für 795 Reichsmark, der Kastenwagen für 880 Reichsmark verkauft!

Das Tempo Werk hatte inzwischen im In- und Ausland ein gut funktionierendes Händlernetz aufgebaut; denn Tempo-Wagen liefen nicht nur in Deutschland. Nein, auch unsere Nachbarländer Holland, Belgien, Frankreich, Skandinavien, die Balkanstaaten, sogar Südamerika und der Ferne Osten interessierten sich für diese neuartigen Fahrzeuge. Der Name „ Tempo-Wagen“ hatte sich in kurzer Zeit zu einem Güte-und Leistungsbegriff entwickelt und mit Recht konnte man sagen:

„OB NORDLANDEIS, OB WÜSTENSAND,

TEMPO-WAGEN – WELTBEKANNT!“

Tempo – Front 6

1933 überraschte das Tempo-Werk seine Kundschaft und die Öffentlichkeit erneut mit einer Neukonstruktion „Tempo-Front 6“, kurz „F 6“ genannt. Die Ladefläche war nach hinten verlegt, und der Fahrer saß wind- und regengeschützt in einem Fahrerhaus. Außerdem war man dazu übergegangen, das Fahrzeug mit Frontantrieb auszurüsten. Frontantrieb, eine Antriebsart mit vielen Vorteilen, wurde zum gravierenden Merkmal aller nunmehr gebauten „Tempo-Wagen“. Der „F 6“, in über 2000 Exemplaren gebaut, war ein bei der Kundschaft beliebtes, wirtschaftliches und zuverlässiges Fahrzeug.

Lieferwagen nach Maß

In Deutschland hatte sich 1933 das „Tempo-Werk“ an der zweiten Stelle im Bau von leichten Nutzfahrzeugen platziert Warum, fragt man sich, waren „Tempo-Wagen“ so beliebt? Wieso war es möglich, daß dieses kleine, verhältnismäßig junge Unternehmen sich zur Spitze empor gearbeitet hatte? Eine einfache Lösung: „Tempo-Wagen“ wurden, wenn es darauf ankam und sein musste, den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Kundschaft angepasst. Jeder gewünschte Sonderaufbau konnte auf das genial konstruierte „Tempo“-Fahrgestell montiert werden. Es gab Hochlader, Tieflader, breite Aufbauten, lange Ladeflächen, Kastenwagen, Kombiwagen usw. Die unmöglichsten Wünsche der Kundschaft wurden entgegengenommen und — befriedigt. „Tempo baut nach Maß“, sagten die Leute, und das brachte ständig neue Käufer und Kunden.

D 200 – D 400 – V 600

1934 wurde die äußere Form, das Fahrerhaus, des „F 6“ erheblich verbessert. Eine schmucke, kunstlederbezogene Sperrholzkarosserie war das Merkmal von drei Neuerscheinungen auf dem Kleinlastwagenmarkt:

D 200 – 6 PS – 198 ccm und 500 kg Nutzlast

D 400 – 12 PS – 398 ccm und 750 kg Nutzlast

V 600 – 18 PS – 598 ccm und 1000 kg Nutzlast

Der „V 600“ war eine absolute Neuerscheinung auf dem Kleinlastwagenmarkt, denn bis dahin hatte das „Tempo-Werk“ nur Dreiradwagen gebaut. Jetzt stand er da! Ein Vierradwagen! V 600 – 600 ccm Hubraum, 18 PS stark, 4-Gang-Getriebe, Frontantrieb, 1000 kg Nutzlast. Ein Fahrzeug mit vielen technischen Neuheiten.

Die Nachfrage nach diesen Fahrzeugen war sehr, sehr groß. Ganz besonders der „D 400“ mit seinem bulligen, wassergekühlten 2-Zylinder-Zweitakt-Motor war der große Favorit der Kundschaft.

Sehr bald musste man feststellen, daß die Fabrikanlage in Wandsbek in ihrer damaligen Größe nicht mehr ausreichte, um alle Auftragseingänge termingerecht zu erfüllen. Eine Erweiterung bzw. Vergrößerung dieser Werkanlage war unvermeidlich geworden, aber die zuständige Baubehörde in Wandsbek lehnte eine weitere Ausdehnung des „Tempo“-Werkes auf diesem Gelände ab. Daraufhin erwarben die Vidals von den Galalith-Werken in Harburg-Bostelbek ein Fabrikgelände von 60.000 qm mit geeigneten Montagehallen und einem Verwaltungsgebäude. Um die Jahreswende 1934 / 35 wurde der Betrieb Wandsbek nach Harburg-Bostelbek verlagert. Und bereits 1935, kurz nach diesem Umzug, konnte man die Fertigstellung des 10.000 Tempo-Wagens anzeigen. Die Vidals und ihre Belegschaft hatten auch diesen Stellungswechsel unbeschadet überstanden.

Weltrekord auf drei Rädern

Seit jeher haben Rennen und Rekorde bzw. Rekordversuche für die internationale Automobil-Industrie etwas Faszinierendes dargestellt. 1934 war der „Tempo D 200“ für den damaligen Stand der Technik ein außerordentlich schnelles und zuverlässiges Fahrzeug. Warum sollte man nicht einmal versuchen, mit diesem Fahrzeug „Welt-Rekorde“ zu fahren? Gab es eine bessere Möglichkeit, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit des „Tempo D 200“ zu demonstrieren? Nein, und das „Tempo-Werk“ war entschlossen, diesen Qualitätsbeweis anzutreten. Dreiradfahrzeuge, also auch der „Tempo-Wagen, gehören nun bei motor-sportlichen Veranstaltungen und Rekordversuchen zur Kategorie der Motorräder; aufgestellte Rekorde werden also in den Rekordlisten als Motorradrekorde geführt. Im „Tempo-Werk“ wurden nun sorgfältig die Rekordlisten überprüft, und man entschloss sich, die Stunden-Rekorde von 9 bis zu 12 Stunden und den 1000 km – Rekord in den Motorrad-Klassen bis 350 ccm und bis 500 ccm zu verbessern bzw. einzustellen. Am 15. November 1934 war es dann soweit. Viele Schaulustige hatten sich an der Berliner Avus eingefunden, und unter der Aufsicht einer internationalen Motorsportkommission (FiM) wurde der Rekordversuch gestartet. Zwei erfolgreiche Langstreckenfahrer, Walter Treptow und Heinz Fabig, waren als Piloten für diese Zerreißprobe nominiert worden und mussten sich nun, laut Sportgesetz, alle 4 Stunden in der Führung des Fahrzeugs ablösen. 4 Stunden fahren – 4 Stunden ruhen. Nur dem eigentlichen Akteur, dem „Tempo D 200“, 197 ccm Hubraum -6 PS, durfte natürlich keine Ruhepause angeboten werden. Unermüdlich, mit der Präzision eines Chronometers, drehte er eine Avusrunde nach der anderen. Nach 1000 km Non-Stop-Fahrt war die Zerreißprobe erfolgreich beendet. Neun Motorrad-Weltrekorde waren eingestellt worden: fünf in der Klasse bis 350 ccm und vier in der Klasse bis 500 ccm.

Und hier die Rekordliste:

9 Stunden 487,168 km (54,129 km/h)

10 Stunden 540,701 km (54,070 km/h)

11 Stunden 595,760 km (54,160 km/h)

12 Stunden 649,471 km (54,417 km/h)

1000 km = 18:44:48 Std. (53,333 km/h)

Die Zuverlässigkeit und Ausdauer sowie die Wirtschaftlichkeit

– 5,7 l Kraftstoff auf 100 km –

waren unter Beweis gestellt.

Die In- und ausländische Fachpresse würdigte diesen „Tempo“-Erfolg in entsprechenden Artikeln. In 18 3/4 Stunden waren der Tempo-Wagen und seine Piloten Treptow und Fabig weltberühmt geworden.

Tempo heißt Fortschritt

1936 wurden die „Tempo-Wagen“ erneut entschieden verbessert. E 200, E 1400 und E 600 lautete die neue Typenbezeichnung. Der Buchstabe „E“ stand für „Eisen“; denn „Tempo-Wagen“ waren nun die ersten Kleinlastwagen mit einer Ganzstahlkarosserie. Damit stiegen die Umsätze gewaltig, und schon im Jahre 1937 verließ der 25.000 „Tempo-Wagen“ die Montagehallen Harburg-Bostelbek. Von 14.000 Kleinlastwagen, die 1937 in Deutschland hergestellt wurden, trugen über 6.000 das Marken- und Gütezeichen „Tempo“.

Die Firma Vidal + Sohn war in Deutschland führend geworden, und der meistgekaufte Kleinlaster der Welt hieß „Tempo“. Um die ständig steigenden Aufträge auszuführen, war es unumgänglich geworden, die Werksanlagen in Harburg-Bostelbek zu vergrößern. Neue Montagehallen mussten, und wurden gebaut. Ständig wuchs die Anlage „Tempo-Werk“ am Radeland.

1938 wurden die Typen E 200, E 400 und E 600 erneut verbessert, A 200, A 400 und A 600 stand auf der neuen ,Visitenkarte“ dieser robusten Kleinlaster. Es würde zu weit führen, alle Verbesserungen dieser Typen im Detail zu schildern, und die Einleitung dieses Abschnitts sagt ja auch alles: „Tempo“ heißt Fortschritt.

Typenbegrenzung im Automobilbau

Gegen Ende des Jahres 1938 wurde auf Anordnung der damaligen Reichsregierung die Typenbegrenzung im deutschen Automobilbau eingeführt. Eine Entscheidung von weitragender Bedeutung war damit auch für das „Tempo-Werk“ gefallen. Die Produktion des Vierradwagens A 600 musste völlig aufgegeben werden. Eigentlich schade, aber die Typenbegrenzung brachte auch etwas Gutes für das Harburger Werk: Der A 400 wurde zum Einheitstyp aller Dreiradfahrzeuge in Deutschland erklärt. Alle anderen Hersteller von Dreiradfahrzeugen mussten die Produktion einstellen. Lediglich die Firma Gutbrod in Esslingen erhielt das Recht, den von der Firma Vidal + Sohn entwickelten A 400 ebenfalls zu bauen.

Für die Vidals war es die Anerkennung und der Lohn für die technische Entwicklung des Dreiradwagens vom „T 1“ bis zum A 400“. Diese „fast-Monopolstellung“ blieb natürlich nicht ohne Einfluss auf den Auftragseingang. Die Produktionszahl betrug 1938 8.500 Einheiten, und 1939, bis zum Kriegsbeginn im September, wurden noch 10.000 Fahrzeuge in den Harburger Werkanlagen hergestellt.

„Tempo-Geländewagen G 1200“

Wie schon am Anfang dieser Geschichte zu lesen war, hatten die Vidals in Ing. Otto Daus einen hervorragenden Konstrukteur und technischen Berater gefunden. Alle gebauten Tempo-Typen, vom T 6 bis zum A 600, trugen seine Handschrift und zeugten von seinem ungeheuer großen Ideenreichtum. Sein Wunschtraum war jedoch immer gewesen, ein Fahrzeug zu konstruieren und zu bauen, mit dem man überall fahren konnte. Ohne Straße – ohne Wege. Überall. Jedes Gelände müsste man befahren können. Die Vidals ließen ihn gewähren, denn bisher hatten sie mit seinen Ideen und Konstruktionen keine Fehlplanung erlebt, und 1936 präsentierte er ihnen und der gesamten Fachwelt sein Meisterstück. Jüngeren Lesern dieser Geschichte ist dieser Fahrzeugtyp des Tempo-Werkes wohl völlig unbekannt. Darum ist es gut und wichtig, nun einmal die Technik dieses außergewöhnlichen Fahrzeuges zu beschreiben. Der „Tempo-Geländewagen G 1200“ war mit 2 Antriebsaggregaten ausgerüstet, d h. Frontmotor 600 ccm mit angeblocktem 4-Gang-Getriebe und Heckmotor 600 ccm, ebenfalls mit angeblocktem 4-Gang-Getriebe. Die PS-Zahl beider Motoren lag zwischen 40 und 42 PS. Dieses Fahrzeug konnte also, je nach Geländeschwierigkeit, wahlweise mit Front- oder Heckantrieb gefahren werden und wenn es ganz „dick“ wurde, durchfuhr man mit beiden Motoren, also Allradantrieb, die schwierigsten Geländeabschnitte. Um die Beweglichkeit und Wendemöglichkeit auf schmalen Waldwegen und engen Geländepassagen zu erhöhen, konnten sogar alle 4 Räder, nach Lösung einer Sperr-Automatik, gelenkt werden. Der Wendekreis war dadurch auf ein Minimum reduziert. Die beiden Reserveräder waren links und rechts, drehbar, in der Fahrzeugmitte aufgehängt und dienten bei Bergkuppenüberfahrungen oder einer Grabenüberquerung als sogenannte Stützräder. Eine Bodenberührung bzw. ein Aufsetzen der Fahrzeugwanne war dadurch völlig unmöglich. Für den „G 1200“ gab es praktisch keine Hindernisse, und mit den größten Erfolgen wurde er nun bei allen nationalen und internationalen Geländefahrten bzw. Zuverlässigkeitsprüfungen eingesetzt.

Von 1937 – l944 wurden über 4000 Geländewagen G 1200 gebaut und in die ganze Welt geliefert Brasilien, Bulgarien Chile, Finnland, Rumänen, Schweden, Ungarn, ja selbst im Fernen Osten wurde der „G 1200“ bestaunt, bewundert und gekauft. Allein die schwedische Armee erteilte einen Auftrag über 400 Fahrzeuge und im Fernen Osten war Prinz Bira von Siam, damals ein bekannter Sport und Rennwagenfahrer, der prominenteste „Tempo-G 1200“ – Fahrer. Die Hauptabnehmer des „G 1200“ in Deutschland waren die Reichsbahn, der Zollgrenzschutz und die damaligen Reichswerke Hermann Göring“ in Salzgitter, aber auch viele Privatleute, vor allen Dingen Forst-und Landwirtschaftsbetriebe waren begeisterte „Tempo – G 1200“ Kunden und Fahrer. Aus der „Daus-Marotte“ war eine Realität geworden, die dafür sorgte, den Namen „Tempo“ weiterhin in der Welt berühmt zu machen.

Das „Tempo-Werk“ im 2. Weltkrieg

Am 1 September 1939 begann der 2. Weltkrieg. Im „Tempo-Werk“ setzte er allen Plänen ein vorläufiges Ende, denn außer der Fahrzeugherstellung wurde das Werk nun zusätzlich von vielen anderen kriegswichtigen Aufgaben in Anspruch genommen. Trotzdem wurden aber noch von 1940 – 1945 über 35.000 Fahrzeuge hergestellt, und 1941 konnte man sogar noch die Fertigstellung des 50.000 „Tempo-Wagens“ melden. Eine stolze Zahl, „Tempo-Wagen“ waren nun auch die bewährten Helfer der Heimatfront geworden. Das „Deutsche Rote Kreuz“ sowie der Sicherheits- und Hilfsdienst, kurz S.H.D. genannt, hatten sich bald mit dem dreirädrigen Kameraden aus Harburg angefreundet.

Am 8. Mai 1945 schwiegen die Waffen. Der 2. Weltkrieg war beendet. Deutschland war ein riesiger Trümmerhaufen. Auch am „Tempo-Werk“ war der Krieg nicht spurlos vorbeigegangen. Die Belegschaft war auf 350 Köpfe zusammengeschrumpft. Material und sonstige Werkstoffe waren kaum vorhanden. Die Verhältnisse waren bestimmt nicht rosig. Aber in den stillen Werkhallen begann es sich langsam zu regen. Im „Tempo-Werk“ hatte man keine Zeit zur Resignation.

Neues Leben blüht aus den Ruinen

Wie schon gesagt: Die Lage war ernst, aber nicht hoffnungslos, denn die britische Militärregierung genehmigte zunächst nur die Reparatur von „Tempo-Wagen.“ Unter größten Schwierigkeiten wurden nun zu diesem Zwecke von weither Hunderte von defekten Fahrzeugen herangeschafft und nach durchgeführter Überholung und Instandsetzung von der britischen Militärregierung an deutsche Verbraucher verteilt. An eine Produktionsaufnahme war im Moment gar nicht zu denken, denn Rohstoff bzw. Materialmangel herrschte vorerst noch. Aber im August 1945 lief die Produktion des A 400 langsam wieder an. Die Stückzahlen waren natürlich gering, und für die Jahre 1946 / 47 war kaum eine Besserung zu erwarten, trotz allem, bei Vidal + Sohn war und blieb man optimistisch, denn immerhin konnte schon 1947 ein Sonder Güterzug mit 100 Dreiradwagen als erster deutscher Auto – Export nach Holland verladen werden. Für die termingerechte Erledigung dieses Auftrages erhielt die Belegschaft als Belohnung eine Sonderzuteilung von Lebensmitteln.

1947 erfolgte auch die Wachablösung der technischen Leitung im Tempo-Werk. Der hochverdiente Ingenieur Otto Daus wurde pensioniert. Zum Nachfolger wurde der seit 1930 in der Firma tätige Ing. Diedrich Bergst ernannt. „Didi“, sagte man in Freundeskreis, hatte jahrelang im Schatten von Otto Daus gewirkt, nun war er am Ziel Den Kopf voller Pläne, nur deren Verwirklichung standen andere Realitäten gegenüber. Aber darauf werden wir noch in einem späteren Kapitel zu sprechen kommen, denn vorerst wurden Tempo-Wagen immer noch auf einem amtlich ausgestellten Bezugsschein verkauft

Währungsreform in Deutschland

Der 20. Juni 1948 war in Deutschland ein denkwürdiger Tag: Währungsreform. Die alte, leider schwindsüchtig gewordene RM wurde nun von der harten DM abgelöst. Nun endlich wurde der Optimismus und das zähe Aushalten der Vidals honoriert. Schon in den ersten Tagen zeigte sich die entscheidende Wende, die Auftragseingänge stiegen, die Produktion wurde neu angekurbelt, und gleichlaufend damit die Belegschafts stärke vergrößert. Der Startschuss zum „deutschen Wirtschaftswunder“ war gefallen, und der „Tempo-Wagen“ zählte mit zu den Helfern, um dieses Wunder zu vollbringen. Dieser zuverlässige, sparsame, anspruchslose Helfer ist damals für viele das Sprungbrett zum heutigen Erfolg gewesen. Lassen wir noch einmal Zahlen sprechen: Ab Juni 1948 werden bis zum Jahresende 3.500 Fahrzeuge hergestellt. l949 – die Belegschaftsstärke beträgt inzwischen 2000 Mann – verlassen fast 10.000 „Tempo-Wagen“ das Werk in Harburg. Die Produktionsfläche musste erneut durch einen Hallenneubau um ein Drittel vergrößert werden.

Erfolgsjahr 1950

Das Jahr 1950 stand für die Firma Vidal + Sohn unter einem besonders guten Stern. Der Verkaufsschlager A 400 war zum „Hanseat“ weiter entwickelt und verbessert worden und der meistgekaufte Kleinlieferwagen in Deutschland. Doch vielen Kunden war noch der Tempo-Vierradwagen aus der Vorkriegszeit in guter Erinnerung, und immer wieder wurde der Wunsch laut: „Baut doch mal wieder einen Vierradwagen!“ Anfang 1950 war es dann soweit Das Tempo-Werk präsentiert seinen

Tempo – Matador – 1 Tonner

Mehrere Fahrzeuge dieses Typs wurden allerdings schon seit einem Jahr vom Werk und auch von Kunden mit großem Fuhrpark, als sogenannter „Erlenkönig“, in ununterbrochenen Dauerversuchen härtesten Prüfungen unterzogen. Der „Matador“, ausgerüstet mit einem serienmäßigem Volkswagenmotor, 4-Gang-Getriebe und Frontantrieb war 1950 die interessanteste LKW-Neuschöpfung. Chefkonstrukteur Diedrich Bergst konnte mit Recht stolz auf seine Neukonstruktion sein, denn das Echo in der gesamten Fachpresse war gewaltig und gipfelte in dem Satz:

„Vidal + Sohn hat mal wieder einen „Knüller“ auf Stapel gelegt.“

Die Nachfrage der alten Dreiradwagen-Kunden setzte sofort ein, und es gab Kunden, die den „Matador“ fest bestellten, ohne Probefahrt, ohne Besichtigung, ja es wurde nicht einmal nach dem Preis gefragt. Ein hervorragender Beweis des Vertrauens für die Erzeugnisse der Firma Vidal + Sohn. Nicht unerwähnt in diesem Zusammenhang: In den Jahren 1948 – 1951 hatte das „Tempo-Werk“ die größten Produktionsziffern aller Lkw-Fabrikate in Deutschland.

ADAC – Deutschlandfahrt 1950

Wie bereits erwähnt, war der „Matador“ während seiner Entwicklungszeit härtesten Erprobungen unterworfen worden. Jetzt wollte man in der Öffentlichkeit zeigen, was in ihm steckt. Die ADAC – Deutschlandfahrt, eine Zuverlässigkeitsprüfung über 2.000 km durch die Bundesrepublik, war bestens dafür geeignet, die hervorragenden Merkmale:

Robustheit, Zuverlässigkeit und Sparsamkeit des „Tempo-Matador“ zu beweisen. Als die Ausschreibung für diese Veranstaltung im Tempo-Werk eintraf, stand sofort fest: Es starten 3 „Matadore“ und 3 „Hanseaten“. Am 30. Mai 1950 senkte sich die Startflagge in Hannover: 271 Fahrzeuge, Motorräder, Motorräder mit Seitenwagen, Tourenwagen und Nutzfahrzeuge bis 1 Tonne Nutzlast hatten sich dem Starter gestellt. In 4 Tagen mussten die vorgesehenen 2.000 km zurückgelegt werden. Natürlich ohne Panne, denn alle lebenswichtigen Teile waren mit einer Geheim-Farbe gekennzeichnet, um einen evtl. Austausch während der Prüfung zu verhindern bzw. zu unterbinden.

Den Fahrzeugen und den Fahrern wurde in den 4 Tagen nichts geschenkt. Nürburgring – Schottenring – Bühler Höhe (Bergprüfung) waren markante Punkte, die diese Veranstaltung zu einer echten Leistungsprüfung machten. Aber der Einsatz hatte sich gelohnt. Die Siegesfeier im Münchener Löwenbräuhaus bestätigte den überzeugenden Erfolg der „Tempo-Wagen“, denn alle 6 gestarteten Fahrzeuge hatten mit voller Belastung, strafpunktfrei, das Ziel in München erreicht und erhielten als höchste Auszeichnung die Goldmedaille.

6 Tempo am Start – 6 Tempo am Ziel – 6 Goldmedaillen für Tempo

Die Rückkehr der erfolgreichen Fahrzeuge mit ihren Fahrern von München nach Hamburg glich dann auch einem Triumph-Zug. Das Tempowerk hatte sich festlich geschmückt. Hunderte von Arbeitskameraden und die gesamte Betriebsleitung hatten sich eingefunden, um den „Matadoren“ und den „Hanseaten“ ein herzliches Willkommen zu bereiten. Hübsche duftende Blumensträuße wurden den Fahrern von 6 noch hübscheren Überbringerinnen überreicht. Das Tempo-Werk begrüßte seine „Deutschlandfahrer“ und ihre bewährten Werkzeuge:

„Tempo – Wagen“.

Dann ergriff Herr Oscar Vidal das Wort und sprach den Fahrern seine volle Anerkennung aus, indem er noch hervorhob, daß diese prächtige Gemeinschaftsleistung auf normalen, serienmäßigen Fahrzeugen erzielt worden war. Sein Dank galt jedoch auch der gesamten Belegschaft, die an diesem Erfolg durch ihren Fleiß und ihre Wertarbeit entscheidend beteiligt war. Auch der geistige „Vater des Matadors“, Chefkonstrukteur Diedrich Bergst wurde in diese Anerkennung und Ehrung einbezogen.
Eine erfolgreiche Fahrt war beendet, nun wanderten die siegreichen Tempo-Wagen wieder in die Versuchsabteilung, um durch exakte Kontrollarbeiten die Bestätigung zu erhalten. „Unsere Fahrzeuge haben sich bis zum kleinsten Schräubchen bewährt.“

Übrigens, kurz darauf gibt es schon wieder Gelegenheit, einen Ehrentag zu feiern: den „Tempo-Wagen mit der‘ Fabriknummer 100.000“.


100.000 Tempo-Wagen

Am 29. Juni 1950, der Jubel über die erfolgreich durchgeführte „Deutschlandfahrt“ war noch nicht verklungen, ertönten die Sirenen des „Tempo-Werks“ zum Schichtwechsel. Da, plötzlich sieht man die Betriebsangehörigen zum Haupteingang des Verwaltungsgebäudes eilen. Eine merkwürdige Spannung liegt in der Luft. Kurz darauf ertönt ein Hupensignal, und ein festlich geschmückter „Tempo-Hanseat“ sucht sich seinen Weg durch die nunmehr dichtgedrängte Menschenmenge. Der Betriebsleiter, Ernst Schulze, übergibt Herrn Oscar Vidal die Schlüssel zu diesem Fahrzeug und meldet die Fertigstellung des 100.000sten Tempo-Wagens. Für alle, vom jüngsten Lehrling bis zum Chef, ein Ereignis, an dem alle Anteil und mitgewirkt hatten Aber es sollte noch besser werden:

Die Ahnengalerie

Alle Aufmerksamkeit gehörte noch dem 100.000sten Tempo-Wagen Plötzlich ertönen erneut Hupensignale eskortieret von „weißen Mäusen“ fährt die „Ahnengalerie des 100.000sten Tempo-Wagens“ durch das festlich geschmückte Werktor. Eine Schau aller fast schon historischer Typen vom T 1 und T 6, über Pony, Front 6, D 200, D 400, den alten Vierradwagen A 600, ja sogar ein Geländewagen G 1200 paradierten vor den erstaunten Zuschauern. Beifall ertönt, als diese Veteranen nun neben dem „jüngsten Bruder“ Aufstellung nehmen. Diese Veteranen-Parade war ein erneuter Beweis dafür, daß schon vor 20 Jahren das Wort „Qualität“ bei Vidal + Sohn zum eisernen Gesetz gehörte, und dem Kunden für sein Geld der höchstmögliche Gegenwert geboten wurde.

17 000 zufriedene Kunden

Seit seinem Bestehen war das Tempo-Werk durch ein „gewissermaßen familiäres Band“ mit seinen Kunden verbunden, Sie wissen doch:

„Tempo baut nach Maß“.

Was lag also näher, auch diese große Tempo-Familie an dem frohen Ereignis, 100.000 Tempo-Wagen, teilnehmen zu lassen? Durch die Presse wurde die Verlosung des 100.000sten Wagen sowie eines 1 Tonner vom Typ „Matador“ angekündigt. Außerdem stand noch das „Nesthäkchen“, der „Tempo-Boy“, ein neu entwickelter Dreiradwagen mit 200 ccm und 500 kg Nutzlast, auf der Gewinnliste. 17.000 Tempo-Besitzer schickten ihre Teilnehmerkarten ein und benutzten diese Gelegenheit zu begeisterten Anerkennungsschreiben Der 100.000. Wagen rollte nach Königswinter am Rhein, während der „Matador“ und der „Boy“ zwei freudestrahlenden Hamburgern übergeben werden konnten. Bei dieser festlichen Übergabe, die gesamte Fach- und Tagespresse war eingeladen, wurde noch einmal das besondere Ereignis in der Kleinlastwagenfabrikation entsprechend gewürdigt.

Feuerwerk in Planten + Blomen

Aber auch die Belegschaft wurde nicht vergessen. 3.500 Teilnehmer, Betriebsangehörige mit ihren Frauen und Bräuten, versammelten sich zu einer fröhlichen Feier im bekannten Hamburger Erholungspark Planten + Blomen. In seiner Ansprache hob Herr Oskar Vidal die harmonische Zusammenarbeit zwischen der Leitung und der Belegschaft besonders lobenswert hervor. Verdiente Mitarbeiter und langjährige Betriebsangehörige wurden geehrt. Ein Riesenfeuerwerk, eins der schönsten, die bisher in Hamburg gezeigt wurden, beendete den offiziellen Teil dieses einmaligen Tages.

Motorsport auf 3 Rädern

Im August 1950 kam der Motorsport im Tempo-Werk nochmals wieder groß zur Wortmeldung. Kleinere Veranstaltungen im norddeutschen Raum hatte man schon seit längerer Zelt, mit 3 Rädern, erfolgreich absolviert. Nun galt es wieder, eine internationale Zuverlässigkeits-Prüfung siegreich zu beenden.

„Rund um Schleswig-Holstein“

„Streckenlänge 520 km – Brems- und Beschleunigungsprüfung, Zustandsprüfung nach Fahrtbeendigung, geforderter Durchschnitt: 45 km/h. – Veranstalter: ADAC Gau Hansa.“

Das war im Telegrammstil der Inhalt dieser Ausschreibung. Das Tempo-Werk meldete für diese Veranstaltung 3 Hanseaten Privat-Fahrer, aber mit Werkunterstützung. Diese Fahrt war ein außerordentlicher Härtetest, denn schon der geforderte Durchschnitt von 45 km/h auf nicht abgesperrten Landstraßen ließ bei manchem Teilnehmer das Strafpunktkonto in die Höhe schnellen. Die 3 „Hanseaten“ schlugen sich tapfer, denn nach 10 stündiger Fahrt, einschließlich aller Sonderprüfungen, erreichten sie strafpunktfrei das Ziel und konnten ihre verdienten Goldmedaillen in Empfang nehmen.

3 Tempo am Start – 3 Tempo am Ziel – 3 mal Gold für Tempo.

Auch in den Jahren 1951 und 1952 wiederholte das Tempo-Werk seine gewohnten Erfolge bei dieser Veranstaltung. Der „Hat-Trick“ war gelungen; 3 mal hintereinander hatte das Tempo-Werk diese Veranstaltung mit Erfolg beendet.

„Ferdinand Porsche Sternfahrt“

Im Juni 1952 hatte der Österreichische Automobil Club eine internationale Sternfahrt nach Gmünd in Kärnten ausgeschrieben. Fast 1000 Teilnehmer, darunter Fahrer modernster Sportwagen, hatten ihre Meldung abgegeben und sich von ihrem freigewählten Startort auf die Reise begeben. In Hamburg startete der Chronist mit seinem seit langem bewährtem „Hanseat-Kombi“ zu dieser Rallye. Die Streckenführung war mit einer Passage bzw. Umrundung des „Nürburgringes“ sowie einer Überquerung der Großglockner Hochalpenstraße verbunden. Ein Sieg bei dieser Veranstaltung war eine Utopie, denn der „Tempo-Hanseat“ war der einzige Dreiradwagen, der an dieser Veranstaltung teilnahm Aber, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Die Siegerehrung brachte nämlich für einige Teilnehmer eine Riesenüberraschung: Der Kleine, bescheidene „Hanseat“ platzierte sich in der Gesamtwertung auf dem 7. Platz und erhielt die Silbermedaille sowie den Ehrenpreis des Landes-Verkehrsamtes Kärnten. In 3 Tagen hatte dieser „zähe Bursche 2000 km zurückgelegt und die „vierrädrige“ Konkurrenz das Fürchten gelehrt. Konnte man die Zuverlässigkeit des „Tempo-Wagen“ eigentlich noch besser beweisen?

Ja, man konnte:

„Da staunten die Franzosen“

Annonay, 80 km westlich von Lyon, in der idyllischen Landschaft der Ardèche gelegen, war das nächste Ziel, um auch unserem westlichen Nachbarn Frankreich die Qualität und Robustheit eines „Tempo-Wagen“ zu demonstrieren. Der Motor-Sport-Club Annonay hatte eine internationale Langstreckenprüfung ausgeschrieben. 400 Teilnehmer hatten ihre Meldung abgegeben, und auch das „Tempo-Werk“ war mit seinem bewährten „Hanseaten“ vertreten. Am 14. Juni 1953 um 9.00 Uhr war das Ziel „Place des Cordellers“ in Annonay erreicht. Die Stadt selbst konnte man mit einem Ameisenhaufen vergleichen. Die engen Straßen und Gassen waren überfüllt. Alle wollten den eintreffenden Teilnehmern zujubeln. Am Ziel waren die Flaggen aller teilnehmenden Nationen gehisst, und jedem Fahrer wurde zum Empfang ein „Aperitif d’Honneur“ serviert. Um 14.00 Uhr, der Veranstalter hatte inzwischen die Auswertung dieser Fahrt durchgeführt:, begann nun das spektakuläre Ereignis der

Siegesverkündung und Preisverteilung.

Der „Tempo-Hanseat“ und der Chronist dieser Geschichte hatten sich zur Überraschung aller Teilnehmer auf dem 3. Platz in der Gesamtwertung platziert. Goldmedaille, Pokal der Stadt Annonay sowie das traditionelle Blumengebinde mit der Trikolore wechselten den Besitzer. In wenigen Augenblicken ist nun der „Tempo-Wagen“ von einer Menschenmenge umringt. Alle wollten dieses Fahrzeug näher betrachten und bewundern. Viele Fragen mussten beantwortet werden, fast keiner kann es richtig fassen und begreifen, daß dieses Fahrzeug in 30 Stunden die Gesamtstrecke von 1400 km pannenfrei zurückgelegt hatte.
Große Freude auch im Tempo Werk, denn durch diese Leistung wurde erneut der Beweis erbracht: „Auf Tempo-Wagen ist Verlass“, und die Presse schrieb: „Da staunten die Franzosen“.

1953 – 25 Jahre Vidal + Sohn
25-jahre Vidal und Sohn

Der September 1953 war ein denkwürdiger Monat in der Geschichte der Firma Vidal + Sohn. Man feierte Jubiläum. 25 Jahre existierte nun diese Firma, und aus einer kleinen Schlosserwerkstatt war ein weltberühmtes Werk geworden. Über 140.000 Tempo-Wagen hatte man hergestellt, wahrlich ein stolzer Rückblick.

Auf der großen, fahnengeschmückten Betonstraße, die durch das Werksgelände führt, hatte man alle Wagentypen, die mit dem Markenzeichen „Tempo“ in die ganze Weit geliefert wurden, zur Parade aufgefahren. Ein imposantes, farbenprächtiges Bild.

In der großen, festlich geschmückten Montagehalle hatte sich die Belegschaft, die in- und ausländische Fachpresse sowie zahlreiche Gratulanten aus dem In- und Ausland zur Überbringung ihrer Glückwünsche eingefunden. Als erster Redner betritt dann der Sprecher der Belegschaft, der Betriebsratsvorsitzende Hans Prenn, das Podium. Seine Rede ist nur kurz, aber sie gipfelte in den markanten Worten:

„Die Belegschaft hält zum Werk“

Dann überreichte er Herrn Oscar Vidal das Geschenk der Belegschaft:

eine naturgetreue Modellnachbildung des Tempo-Werkes. Eine echte Überraschung war gelungen, und eine nun folgende Ansprache von Herrn Oscar Vidal bestätigte erneut die vorbildliche, traditionelle Zusammenarbeit im Tempo-Werk.

„Nur der gute Einklang zwischen Leitung und Belegschaft ist die Voraussetzung für wirkliche Qualitätsarbeit, und nur so ist es zu verstehen, daß das Tempo-Werk aus dem Nachkriegschaos wieder als leistungsfähiger Produzent hochwertiger Kleinlastwagen hervorgegangen ist. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen“, waren die Schlussworte seiner inhaltsreichen Rede.

Zahlreiche Gratulanten überbrachten nun ihre Glückwünsche. Der Hamburger Bürgermeister Max Brauer für die Hansestadt, Prof. Nordhoff vom Volkswagenwerk in Wolfsburg sowie der bekannte Flugzeugkonstrukteur Prof. Ernst Heinkel von den Heinkel-Motoren-Werken in Stuttgart Zuffenhausen, um nur einige aus der großen, prominenten Gratulationsschar zu erwähnen.

Der prominenteste Gast für Herrn Oscar Vidal war jedoch bestimmt seine Mutter: Frau Helene Vidal, die Witwe des Gründers, Max Vidal. Was mag sie wohl vor 25 Jahren gedacht haben, als das „Große Abenteuer – Tempo-Wagen“ begann? Denn es war doch wirklich abenteuerlich, als Max Vidal und Sohn Oscar 1928, in einer wirtschaftlich außerordentlich schlechten Zeit ihre ersten Dreiradwagen bauen ließen. Und heute, diese herrliche Werkanlage in Harburg-Bostelbek. Kaufmännischer Weitblick, Idealismus und die Beharrlichkeit der Vidals hatten dieses Werk geformt.

Vom „Hanseat“ zum „Wiking“
Wiking

Seit seinem Bestehen hatte das Tempo-Werk immer eine intensive Marktforschung betrieben. Über die erstklassige, weitverzweigte Tempo-Organisation hielt man engste Fühlung und Kontakte zur Kundschaft. Ihre Wünsche wurden auch im Konstruktionsbüro gehört und berücksichtigt. 1953 begann der Absatz von Dreiradwagen zu stagnieren. Die Kunden wollten jetzt auf vier Rädern fahren. Im Tempo-Werk hatte man schon Vorsorge getroffen, und auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1953 in Frankfurt konnte man daher den „Wiking“ bewundern. Ein Vierradwagen – 3/4 to Nutzlast, ausgerüstet mit einem 460 ccm, 17 PS starken 2-Takt-Motor. Ein würdiger Nachfolger des „Hanseaten“. Die sofortige große Nachfrage aus allen Wirtschaftskreisen bewies dann auch: Ein alter, lang gehegter Wunsch vieler Tempo-Freunde war in Erfüllung gegangen.

10.000 km Nonstop – Fahrt

Tempo-Wagen wurden schon immer in der Versuchs – Abteilung des Werkes unter den härtesten Bedingungen auf Herz und Nieren geprüft. Sowohl die Versuchsfahrer, als auch Ihr “Boss“, Chefkonstrukteur Diedrich Bergst, waren bei der Erprobung eines Fahrzeuges niemals zimperlich gewesen Um nun die Robustheit und Zuverlässigkeit des „Wiking“ in aller Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen, wurde für Ostern 1954 eine 10 000 km – Nonstop – Fahrt vorbereitet und organisiert Die Fach- und Tagespresse wurden durch entsprechende „Presse-Mitteilungen“ informiert, und die Leser von „Bild“ „Morgen-Post“, „Abendblatt“ oder “Welt“ wussten nun: „Am 12 April 1954, um 15.00 Uhr, starten im Tempo-Werk Hamburg-Harburg drei serienmäßige Tempo-Wagen, Typ „Wiking“ und wollen in 11 Tagen 10.000 Km in pausenloser Tag- und Nachtfahrt und natürlich ohne Panne zurücklegen.“ 10.000 Km ohne Unterbrechung entspricht der Entfernung Hamburg-Tokio. Leider ist eine Fernverkehrsstraße in den Fernen Osten noch nicht gebaut, außerdem sollte diese Leistungsprüfung ja auch auf deutschen Straßen absolvieret werden. Fünfmal die Strecke Flensburg-Kassel-Lörrach (direkt an der Schweizer Grenze) und zurück entsprachen 10.000 km. Diese Strecke wurde nun in Etappen aufgeteilt. Kassel wurde zum „Hauptquartier und Gefechtsstand“ für diese „Mammut-Prüfung“ ausgewählt, d.h. dort wurde der Fahrerwechsel vorgenommen, und dort liefen auch alle Organisationsfäden dieser Veranstaltung zusammen. Die Auswahl und die Beladung der Fahrzeuge mit der zulässigen Nutzlast von 750 kg (in Form von Betonklötzen) sowie die Plombierung aller Verschleißteile wurde durch den ADAC Beauftragten, Oberingenieur Anton Winands, überwacht und durchgeführt. Und dann „ging die Post ab“. Am 12. April 1954, pünktlich um 15.00 Uhr senkte Oscar Vidal die gelbe Startflagge mit dem blauen Tempo-Emblem. Drei „Tempo-Wiking“, eine Tiefladepritsche, ein Kastenwagen und ein Kombiwagen begeben sich auf die Reise: Werden sie durchhalten? Die Fahrer sind ihrer Sache absolut sicher denn bereits nach 9 Tagen, über 30 Stunden früher als erwartet, ist diese Zerreißprobe beendet: Alle 3 “Tempo – Wiking“ hatten die ihnen gestellte Aufgabe sicher und zuverlässig erledigt. Für Leute, die gerne rechnen und vergleichen, sind hier noch einmal die Auswertungszahlen dieser Zuverlässigkeitsfahrt festgehalten:

Länge der Gesamtstrecke: 10.410 km

Dauer der Fahrt: 218,5 Std.

Kraftstoffverbrauch: 7,7 L./100 km

Durchschnittsgeschwindigkeit (Gesamtstrecke) : 47,5 km/h.

Auf den letzten 3.000 km wurde das Tempo forciert, die Motoren waren eingefahren, und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 52 km/h konnte erzielt werden. Die beste Etappenzeit wurde allerdings am letzten Tag auf der Strecke Lörrach – Kassel herausgefahren. 535 km in 8 Stunden, 145 Minuten, was einem Durchschnitt von 61,1 km/h entsprach.

Tempo-Wagen hatten damit erneut bewiesen: “Auf Tempo – Wagen ist Verlass.“

Ende Mai 1954, die Freude über die gelungene 10.000 km Non-Stop-Fahrt war kaum verklungen, hatte die Werbeabteilung eine phantastische Idee, um erneut den „Tempo-Wiking“ in das Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen.

Ein „Wiking“ fährt durchs Wattenmeer

10 km westlich vom Nordseebad Duhnen bei Cuxhaven, zwischen Elbe und Wesermündung, liegt die nur knapp 4 qkm große Watteninsel Neuwerk. Seit eh und je ist dieser Weg während der Ebbe nur von hochrädrigen, pferdebespannten Wattwagen zurückgelegt worden. Viele Autofahrer hatten schon den Versuch unternommen, das Watt zu durchfahren, um sich dann entsprechend auf Neuwerk feiern zu lassen. Bisher war es keinem gelungen, ja einige mussten froh sein, daß sie mit dem Leben davongekommen waren. Ihre Fahrzeuge hatten sich in dem schlickrigen Wattenboden hoffnungslos festgefahren; die einsetzende Flut sorgte dann für das nasse Ende dieses Abenteuers. Jetzt sollte ein „Tempo-Wiking“ diese spektakuläre Reise antreten. Viele Schaulustige hatten sich beim Start in Duhnen eingefunden. Die meisten hatten nur ein mitleidiges Lächeln für den wagemutigen, abenteuerlustigen Fahrer. Wetten wurden abgeschlossen, denn nur wenige glaubten, daß der „Wiking“ die Insel Neuwerk erreichen würde.

Ein „Wiking“ macht seinem Namen Ehre:

Wie einst die alten Wikinger auszogen, um Neuland zu erobern, rollte jetzt der „Tempo-Wiking“ durch den schmierigen, mit einer dünnen Ölschicht überzogenen Wattenboden. Mit seinem erprobten Frontantrieb gab es auch hier keine Hindernisse, keine Probleme. Wie eine Amphibie bahnte er sich seinen Weg, und nach einer Stunde Fahrzeit war das Ziel, der Leuchtturm von Neuwerk, erreicht.

Das erste- Auto auf Neuwerk: „Ein Tempo-Wiking“. Gleich einem Lauffeuer hatte sich die gelungene „Invasion unter den 80 Bewohnern dieser Insel herumgesprochen. Die Sensation war perfekt: Alle kamen und bestaunten den „Wiking“ aus Hamburg-Harburg. Doch die nun bald einsetzende Flut drängt zur Rückkehr zum Festland. Duhnen wird ohne Schwierigkeiten erreicht, obwohl sich einige Priele schon sehr stark mit dem zurückflutenden Wasser aufgefüllt hatten. Bei der Landung in Duhnen hatte sich wieder eine gewaltige Menschenmenge eingefunden, und die Zweifler, die beim Start noch „mitleidig“ gelächelt hatten, jetzt staunten sie und zollten dem „Wiking“ und seinem Fahrer den wohlverdienten Applaus. Der „Wiking“ hatte seinem Namen Ehre gemacht. Dies war nun der zweite Streich, und der dritte folgt sogleich:

„Premiere Concentration internationale de Perpignan“

Perpignan, Hauptstadt des französischen Departement Pyrenees-Orientales, direkt an der spanischen Grenze, war für den nächsten „Wiking“- Auftritt vorgesehen. Der dort ansässige „Motorsportverband Languedoc-Roussillon“ hatte für die Zeit vom 3. – 5. Juni 1954 eine Internationale Zuverlässigkeitsfahrt ausgeschrieben. Nach sorgfältigem Studium dieser Ausschreibung, entschloss sich das Tempo-Werk, den Kombiwagen zu melden, der schon die 10 000 Km Nonstop-Fahrt sowie die Wattenfahrt nach Neuwerk erfolgreich durchgestanden hatte. Die Streckenlänge betrug 1.900 km und enthielt Straßen aller Schwierigkeitsgrade Das Zentralmassiv mit Steigungen bis zu 1.200 Meter musste überwunden werden, genau so wie das Rhonetal mit seinen 1000 Kurven durchfahren werden musste. Nach 60-stündiger Tag- und Nachtfahrt hatten die Fahrer, der Chronist und sein Copilot Heinz Frickmann, das Ziel „Stade Municipal de Perpignan“ erreicht. 800 Teilnehmer aus allen Teilen Europas waren bis zum 5. Juni in Perpignan eingetroffen. Nun, am Nachmittag, das Station hatte sich bis auf den letzten Platz gefüllt, und alle warteten gespannt auf die Siegerverkündigung mit der nachfolgenden Siegerehrung. Der französische Rundfunk hatte seine Mikrofone aufgebaut, und pünktlich um 14.00 Uhr verkündete der Präsident des Motorsportverbandes, Monsieur Lartiga, die Resultate dieser harten Leistungsprüfung. Die „Wiking-Fahrer“ aus Hamburg hatten sich in ihrer Klasse, Tourenwagen eis 800 ccm, auf dem 1 Platz platziert und erhielten nun aus seiner Hand den „Großen Preis des Motorsportverbandes Languedoc-Roussillon.“ Ein erhebender Anblick, als nun das Deutschlandlied intoniert wird und die schwarz-rot-goldene Fahne am Mast hochgeht. Die „Concentration Internationale“ war beendet Wieder einmal wurde die sprichwörtliche Zuverlässigkeit des „Tempo-Wiking“ unter Beweis gestellt:

Tempo-Kunden können sich auf ihren „Wiking“ verlassen.

Das war das Fazit aus diesen 3 Härteprüfungen, und der „Wiking“ hatte viele neue Freunde gewonnen

Von der Autofabrik zum Service-Betrieb

Bis 1955 war das „Tempo-Werk“ Vidal + Sohn in Deutschland die einzige, noch im Privatbesitz befindliche Automobilfabrik. Aber die Konkurrenz war groß und stark geworden. Nur große, kapitalstarke Unternehmen konnten diesen Kampf ums Überleben mit Erfolg durchstehen. Auch das Tempo-Werk konnte dieser Krise nicht aus dem Wege gehen. 2.000 Arbeitsplätze in Harburg-Bostelbek waren auf das höchste gefährdet. Diese Arbeitsplätze zu erhalten, war das Gebot der Stunde, und so entschloss sich Oscar Vidal, die Rheinstahl Hanomag AG mit 50 % als Partner aufzunehmen. Nun war der Weg wieder frei. Neue Typen konnten entwickelt und gebaut werden. Der „Matador“ wurde nun mit dem bewährten englischen Austin-Motor ausgerüstet, der „schmalbrüstige“ Wiking erhielt eine neue Karosserie und der neu entwickelte „Rapid“, ebenfalls mit Austin-Motor, waren das Tempo-Programm 1955. Der weltberühmte Dreiradwagen „Hanseat“ war leider nicht mehr „in“. Anfang Oktober 1955 verließ „der letzte der Getreuen“ die Werkhallen in Harburg. Das Zeitalter des Dreiradwagens war in Deutschland beendet.

Im fernen Indien dachte man allerdings ganz anders, schon seit Jahren war der „Tempo-Hanseat“ dort ein beliebtes und vor allen Dingen ein im Unterhalt billiges Fahrzeug. Viele Taxen und Rikschaähnliche Fahrzeuge in den indischen Großstädten tragen das Firmenemblem „Tempo-Hanseat“. In Indien wollte man also nicht auf diesen zuverlässigen Helfer verzichten und beschloss, dieses Fahrzeug in Lizenz zu bauen. 1958 wurden dann auch alle Unterlagen, Einrichtungen und Werkzeuge zur Dreiradfabrikation nach Indien gebracht. Dort, in Poona, werden darum heute noch diese „braven Kameraden“ hergestellt.

Die weitere Entwicklung des Tempo-Werkes tendierte jetzt jedoch in eine andere, nicht von Oscar Vidal gewollte Richtung. Der finanzielle Einfluss der Rheinstahl-Hanomag AG machte sich bemerkbar, und aus dem „Tempo“ war bald ein „Hanomag“ geworden. So war es also kein Wunder, daß 1965 „Rheinstahl“ die restlichen 50 % des Tempo-Werkes übernahm. Doch der letzte Schachzug in diesem dramatischen Spiel gehörte Oscar Vidal, denn nur seiner Verhandlungstaktik war es zu danken, daß die gesamte Belegschaft mit allen ihren erworbenen, alten Rechten übernommen werden musste.

Das Kapital „Tempo-Werk“ war beendet Heute prangt in blauer Neon-Leuchtschrift über dem Portal des Verwaltungsgebäudes der Schriftzug „Daimler-Benz AG“. Nur die Eisenbahnstation erinnert noch an große, längst vergangene Zeiten. – „Tempo-Werk“ – Nostalgie?

Vertrieb und Service

Ab 1965 konzentrierte sich die Firma Vidal + Sohn auf den Verkauf und auf die Wartung bzw. Reparatur von Kraftfahrzeugen. Auf dem Nutzfahrzeug-Sektor waren es zunächst die Marken Tempo, Hanomag und Henschel; seit 1972 bildet die Vertretung für Mercedes-Benz Transporter die wichtigste Geschäftsgrundlage der Firma. Daneben steht die Pkw-Abteilung mit dem gesamten Renault-Programm sowie den Marken Jaguar und Rover von Leyland.

Vertrieb und Service waren nun allerdings kein Neuland für die Vidals. Was der Kunde wünschte und wollte, wusste man schon seit Jahrzehnten, nämlich: „korrekt und reell bedient werden“‘. Auf dem Lkw-Sektor hatte man darin die größte Erfahrung. Aber, der kluge Mann denkt weiter und baut vor. Schon seit 1959 hatte man sich mit dem Renault-Programm angefreundet. Mehrere kleine Werkstätten betreuten zunächst die Renault-Kunden der Firma Vidal + Sohn, aber eines Tages waren diese Werkstätten nicht mehr „up to date“, und man beschloss, in der Angerstraße einen Neubau zu errichten. Das „Renault-Center“.‘ 1975, zwei Jahre hatte man gebraucht, um diesen modernen Werkstatt-Betrieb zu planen und zu bauen, war die große Stunde gekommen. Am

1. März 1975 wurde der mit den neuesten technischen Einrichtungen ausgerüstete Betrieb eröffnet.

Die „Schaltzentrale“ der Firma befindet sich seit 1965 ebenfalls in der Angerstraße 20 – 28 – Auf der Kommandobrücke stehen Oscar Vidal und Sohn Edmund. Beide wollen das Schiff „Vidal + Sohn“ mit knapp 300 Mann Besatzung auf Kurs halten und durch alle Klippen und Stürme rudern.

Mehr als 26.000 Wagendurchläufe in den Werkstätten (das sind über 100 pro Arbeitstag) sowie 3.650 verkaufte Autos im Jahre 1978 beweisen das große Vertrauen der Kundschaft zur Firma Vidal + Sohn und zu ihren Mitarbeitern. Also, dann dreimal „AHOI“.‘

Diese Geschichte ist nun zu Ende. 50 Jahre sind in vielen kleinen „Stories“ revueartig an uns vorübergezogen. Hoffentlich hat sie Ihnen allen gefallen; dann halten Sie der Firma Vidal + Sohn weiterhin die Treue, damit Sie im Jahre 2003 die Fortsetzung dieser Geschichte lesen können. Die heißt dann:

„75 Jahre Vidal + Sohn“.

– Der Verfasser

-Erich Landahl

Anmerkung:

Herr Erich Landahl war in der Zeit vom 7. 7. 1937 bis zu seiner Pensionierung am 31. 7. 1977 bei der Firma Vidal + Sohn beschäftigt.

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